Unternehmen berichten: Erfahrungen und Tipps zur CO₂-Bilanz
Informationen über die eigene Klimawirkung zu haben, ist für viele mittelständische Unternehmen schon heutzutage wichtig. Wie klimafreundlich ein Unternehmen ist, wird durch eine CO₂-Bilanz ermittelt. Erfahren Sie in diesem Artikel anhand von Erfahrungsberichten, wie sich die Erstellung einer CO₂-Bilanz gestaltet und wie Sie dadurch sogar finanzielle Einsparungen erzielen können.
Die Erstellung einer CO₂-Bilanzierung kann beim ersten Mal eine Herausforderung sein und zuständige Mitarbeitende vor viele Fragen stellen. Wir haben mit zwei Unternehmen gesprochen und herausgefunden, was ihre Motivation war, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Sie berichten, wie Schwierigkeiten überwunden wurden und welchen Mehrwert ihr Unternehmen bereits aus der Bilanz generieren konnte.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Wir freuen uns, wenn Sie sich und Ihr Unternehmen den Lesenden kurz vorstellen.
HANSA-FLEX AG: Die HANSA-FLEX AG ist ein produzierendes Familienunternehmen im Bereich der Hydraulik. Es stellt unter anderem Hydraulik–Schlauchleitungen, Aggregate und weitere Produkte im Bereich der Fluidtechnik her. Das Unternehmen hat über 210 Standorte in Deutschland. An ungefähr 10 Produktionsstandorten werden komplexere Produkte, wie Rohrleitungen oder Metallschläuche gefertigt. In den weiteren Niederlassungen werden nur kleinere Fertigungstätigkeiten getätigt und unsere Produkte verkauft. Dazu gibt es zwei Zentrallager und die Unternehmenszentrale. Dort arbeiten die meisten Mitarbeitenden.
TIWA Plan GmbH: Die TIWA Plan GmbH ist ein kleines Dienstleistungsunternehmen mit 19 Mitarbeitenden. Wir arbeiten seit 25 Jahren in den Bereichen Kabelinfrastruktur, sowie Wasserwirtschaft und Umwelt. Die Tätigkeit unseres Ingenieurbüros erstreckt sich von der Entwurfsplanung über die Genehmigungs- und Ausführungsplanung bis hin zu Bauüberwachung und Vermessung. Die Arbeit beinhaltet Büro- und eine Vielzahl an Außendiensttätigkeiten.
Was motivierte Sie, sich mit dem betrieblichen Klimaschutz auseinanderzusetzen?
HANSA-FLEX AG: Schon seit 2011 ist HANSA-FLEX umweltzertifiziert nach 14001 auf Grund von Kundenanforderungen. 2015 und 2019 mussten wir Energieaudits durchführen. In den letzten zwei Jahren stieg der Druck, sich als Unternehmen dem Thema Nachhaltigkeit zu widmen, spürbar. Das forderten Stakeholder, Kund:innen aber auch Mitarbeitende. Auch bei den Bewerbenden merken wir, dass Sie sich für die Klimafreundlichkeit des Unternehmens interessieren oder auch auf der Webseite wird nach Nachhaltigkeitsinformationen gesucht. Daraus entstand die Idee eine CO₂-Bilanz zu erstellen.
TIWA Plan GmbH: Für uns war es wichtig, eine IST-Analyse zu haben, um eine erste Einschätzung zu bekommen, wo wir eigentlich stehen. Meinem Geschäftspartner und mir ist Umweltschutz bei der täglichen Arbeit wichtig. Es gab immer ein Bauchgefühl wie klimafreundlich gewirtschaftet wird. Durch die CO₂-Bilanz konnte bewertet werden, was wirklich relevant für die Klimafreundlichkeit ist. Wir wollten daher genau wissen, welche Hebel und Möglichkeiten wir noch haben, um mehr für die Umwelt zu zun.
Wie genau sind Sie die Erstellung der CO₂-Bilanz angegangen und wie lange hat es gedauert?
TIWA Plan GmbH: Die Erstellung der CO₂-Bilanz hat gar nicht so lange gedauert, wie ich befürchtet habe. Im Vorfeld habe ich mir grob überlegt, welche Informationen benötigt werden könnten. Ich habe mir die gängigen Rechnungen rausgesucht: Gas-, Wasser- und Stromrechnungen. Zudem haben wir uns die Fahrtenbücher angeschaut.
Ich habe die Daten mit einem kostenlosen Bilanzierungs-Tool erfasst. Das funktionierte sehr gut.
In dem Tool waren zu erfassenden Daten nach den drei Scopes geordnet. Ich habe mich zunächst auf die ersten beiden Scopes fokussiert, da hierzu messbare Daten erfasst werden. An der Stelle hätten wir als mittelständisches Unternehmen mit der Bilanzierung aufhören können. Doch ich wollte noch genauer hinschauen und habe auch Teile des Scopes 3 betrachtet. Ich habe mir überlegt, welche Bereiche des Scopes 3 wir im Unternehmen gut beeinflussen können. Ich habe mich dann auf den Arbeitsweg der Mitarbeitenden konzentriert.
HANSA-FLEX AG: Bei uns hat es etwas länger gedauert, da wir die CO₂-Bilanzen direkt für die letzten drei Jahre und alle 229 Standorte erstellt haben. Wir haben uns ebenfalls auf die Scopes 1 und 2 fokussiert. Insgesamt wäre eine Vollzeitstelle zwei Monate damit beschäftigt gewesen.
Viele Daten konnten wir direkt aus unserem SAP nehmen, aus Rechnungen und Nebenkostenabrechnungen. Darüber hinaus teilen uns Mitarbeitende Zählerstände in einer Teamsgruppe mit. Aus dem Fuhrparkmanagement erhielten wir die Daten zu unserem Fuhrpark. Zuletzt waren noch Daten zu technischen Gasen wichtig, die beim Schweißen und Löten benötigt werden. Ich habe angenommen, dass der gesamte Einkauf gleich dem Verbrauch ist und habe die Daten aus den Rechnungen des Lieferers bezogen. Bezüglich des Scopes 3 habe ich bisher nur Trink- und Abwasser betrachtet und lasse mir von den Logistikdienstleistern Informationen zukommen.
Zum Schluss haben wir die Auswertung der CO₂-Bilanz an unsere Mitarbeitenden kommuniziert und somit eine Feedbackschlaufe eingebaut. Dabei wurden noch einmal wichtige Informationen an uns zurückgespielt, beispielsweise, dass eine Öl- statt Gasheizung vorliegt.
Welche Vorteile sehen Sie in der CO₂-Bilanzierung?
HANSA-FLEX AG: Die CO₂-Bilanzierung liefert saubere und zuverlässige Daten. Das ist zum einen wichtig, um den Erfolg von Klimaschutzmaßnahmen zu bewerten, aber andererseits konnten Auffälligkeiten bei den Kosten und dem Verbrauch aufgedeckt werden.
Durch unsere erste CO₂-Bilanz konnten wir Kosten einsparen.
Unseren acht Regionen in Deutschland wurde ein Ranking mitgeteilt. Dafür haben wir Vergleichswerte erstellt: Wir haben bezüglich der Wärme den Verbrauch pro Quadratmeter berechnet (kWh/qm) und für den Strom den Verbrauch pro 1000 Euro Umsatz (kWh / 1000€ Umsatz). Dadurch haben sich auffällig hohe Verbräuche offenbart, die nicht zu erklären waren. Es stellte sich heraus, dass an einem Standort eine Nachbarhalle mitgeheizt wurde oder bei einem anderen Standort ein Tor defekt war und einen besonders hohen Energieverbrauch hatte. Es kam zu Einsparungen im fünfstelligen Bereich.
Wir haben darüber hinaus bemerkt, dass wir auf Krisensituationen besser vorbereitet sind. Auf Grund der hohen Energiepreise müssen auch wir schauen, was uns das nächste Jahr bringen wird. Dafür sind die Daten aus der CO₂-Bilanz unverzichtbar. Zudem wird der Ablauf unserer Energieaudits vereinfacht. Bei den bisherigen Energieaudits hatten wir kaum Daten zur Verfügung, mussten viel mit Schätzungen arbeiten und viele Abteilungen waren involviert. Durch unsere erste Bilanz haben wir nun viele Informationen und Daten aufgearbeitet. Das erleichtert uns nicht nur die Erstellung zukünftiger CO₂-Bilanzen, sondern auch das nächste Energieaudit. Es ist insgesamt eine Prozessoptimierung.
TIWA Plan GmbH: Der Mehrwert liegt für TIWA Plan vor allem in der Transparenz. Es wird deutlich, welche Einflussmöglichkeiten das eigene Unternehmen hat. Auf Basis der Treibhausgasbilanz haben wir klare Klimaziele formulieren können, welche auch zeitnah in die Umsetzung gehen. Auch die Priorisierung der Maßnahmen untereinander nach Kosten/ Nutzen ist gut möglich.
Wenn man Klimaschutzmaßnahmen umsetzt, möchte man natürlich auch den Erfolg messen. Mit der CO₂ -Bilanz können Unternehmen individuell herausfinden, ob die Maßnahmen greifen oder ob ggf. nachgesteuert werden muss. Wenn wir zukünftig ein E-Auto als Poolfahrzeug anschaffen, können wir ganz genau nachvollziehen, welchen Umweltbeitrag wir damit erzielen können und Erfahrungswerte sammeln, wie sich das Nutzungsverhalten durch die Mitarbeiter entwickelt und wie alltagstauglich sich ein E- Auto auf langen Strecken im Vergleich zum Diesel verhält.
Was war das größte Hindernis beim Erstellen der CO2-Bilanz und wie konnten Sie dies überwinden?
HANSA-FLEX AG: Für uns war es herausfordernd die benötigten Daten zu erhalten. Bei einigen Standorten brauchten wir Informationen von Vermietern, auf die wir warten mussten.
An einigen Stellen der CO₂-Bilanz haben wir zunächst mit Schätzungen gerechnet. Dabei hat es uns sehr geholfen mit Vergleichswerten zu arbeiten, wie mit dem Verbrauch pro Quadratmeter. Einige Daten sind vom Index her sehr hoch gewesen, sodass wir fehlerhafte Daten, wie falsch übermittelte Größenangaben oder Tippfehler finden konnten. Dadurch hatten wir eine Qualitätssicherung.
Bei einigen Schätzungen haben wir später gemerkt, dass wir weit daneben lagen, wie bei den Daten zur Heizung. Wir haben die Bilanz mit den Jahresverbräuchen korrigiert und anschließend mit Wetterdaten abgeglichen. Dabei haben wir erstaunliche Erkenntnisse gewinnen können.
Es können Schwankungen von bis zu 40 kWh/qm je nach Kälte des Winters entstehen.
2021 war das kälteste Jahr, da war der Winter ca. 1,8 Grad Celsius kälter als 2020. Mit der Grad-Tags-Zahl kann man auf den jeweiligen Standort berechnen, wie viel Mehrverbrauch tatsächlich wetterabhängig ist.
Ein weiteres Hindernis war der Zeitfaktor. Hilfreich war, dass mir Zeit eingeräumt wurde. Dafür setzten wir uns mit dem Vorstand und den Führungsebenen zusammen, wobei es nicht nur um die CO₂-Bilanz, sondern auch um mögliche Einsparungen ging. Dabei wurde mir auch Zeit für die Nachbereitung und Prüfung eingeräumt, um Fehler auszumerzen und die Daten anschaulich aufzubereiten.
TIWA Plan GmbH: Das größte Hindernis war für mich tatsächlich, dass ich mir Zeit für die Bilanz nehmen und es nicht während des normalen Arbeitsalltages erledigen musste. Ich habe mich zwei Tage intensiv auf die CO₂-Bilanz konzentriert und habe keine E-Mails oder Telefonate währenddessen beantwortet.
Bei persönlich zugeordneten Firmenfahrzeugen ohne Fahrtenbuchnutzung musste die Kilometerleistung erst aufwändig über Rechnungen hergeleitet werden. Ein Mitarbeiter hat mir nachträglich signalisiert, dass er mir ausführliche Daten zur Kfz-Nutzung hätte zuspielen können. Da ich das nicht wusste, hatte ich mehr Arbeitsaufwand und konnte nur mit Schätzungen arbeiten.
Welchen Tipp können Sie anderen Unternehmen mitgeben, die noch keine CO₂-Bilanz erstellt haben oder gerade damit anfangen?
TIWA Plan GmbH: Nehmen Sie sich Zeit, setzen Sie sich hin und fangen Sie an. Kommunizieren Sie Ihren Mitarbeitenden, dass Sie eine CO₂-Bilanz erstellen und erklären Sie grob, welche Informationen Sie dafür benötigen. Die ein oder andere Idee für Klimaziele kommt dann zusätzlich fast automatisch aus der Belegschaft.
Zukünftig wissen wir, welche Daten für die Bilanz benötigt werden. Wir achten nun darauf, die Daten strukturiert abzulegen, um sie im nächsten Jahr schnell zu finden. Zudem werden wir zu einem jährlichen Stichtag Zählerstände vom Gas-, Strom- und Wasserzähler ablesen, um den Jahresverbrauch so genau wie möglich zu erfassen. Ähnlich gehen wir bei den Fahrten mit Fahrzeugen um, die einzelnen Mitarbeitenden zugeordnet, also kein Pool-Fahrzeug sind: Der Kilometerstand soll zu bestimmten Stichtagen übermittelt werden.
HANSA-FLEX AG: Auch mein Tipp ist, dass man sich einfach trauen sollte anzufangen. Man sollte nicht die Erwartung haben, dass man sich einmal hinsetzt und danach ist man direkt fertig. Es ist ein Prozess, bei dem auch noch Sachen korrigiert werden können. Ergänzend zu der Arbeit mit einem Bilanzierungstool habe ich mit Excel eine Pivot-Tabelle angelegt, damit wir auch intern nachträglich noch Änderungen vornehmen und spezifische Filter anlegen können. Dieser Mehraufwand lohnt sich meines Erachtens nach.
Enorm vereinfacht hat die Erstellung der CO₂-Bilanz, dass ich mir viele Zugriffsrechte eingeholt habe. Ich habe mich mit dem Innendienst, dem Rechnungswesen und dem Einkauf zusammengesetzt und mir wurde Zugriff auf das SAP und unsere Immobiliensoftware gewährt. Dort konnte ich direkt relevante Daten rausziehen. Falls das nicht möglich gewesen wäre, hätte es sicherlich auch geholfen feste Aufgaben mit Deadlines für die einzelnen Bereiche vorzugeben.
Was folgt nach der CO₂-Bilanzierung?
Nachdem Unternehmen eine CO₂-Bilanz erstellt haben, können Sie Klimaschutzmaßnahmen mit dem größten Reduktionspotenzial identifizieren und umsetzen. Dadurch können die CO₂-Emissionen bestmöglich reduziert werden und die eigene Klimawirkung verbessert werden.
Autorin
Saskia Schmidt
BVMW | Förderprojekte | Projektmanagerin KliMaWirtschaft