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Unternehmen berichten: Der Weg zu eigenen Klimazielen

Klimaziele sichern die konsequente Verfolgung einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise. Denn Unternehmensziele geben die Richtung der Unternehmensentwicklung vor. Nicht nur intern geben sie Orientierung für Entscheidungsprozesse, sondern informieren auch Kund:innen, Fachkräfte oder Investor:innen über die Beschäftigung mit dem Thema Klimaschutz. Doch wie und welche Klimaziele können aufgestellt werden?
Erfahren Sie in dem Interview mit Sport Conrad welche Klimaziele das Unternehmen definiert hat, auf welche Herausforderungen es gestoßen ist und welche Lösungen und Tipps es gibt.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Wir freuen uns, wenn Sie sich und Ihr Unternehmen den Lesenden kurz vorstellen.  

SPORT CONRAD: Sport Conrad ist ein mittelständischer Outdoor Einzelhändler und bietet Europas größtes Ski- und Skitouren Sortiment an. Wir führen drei Filialen in Oberbayern, einen internationalen Onlineshop und betreiben einen separaten Lager- und Logistikstandort. Etwa 200 Mitarbeitende arbeiten in den Filialen, der Verwaltung, dem Lager und Logistik sowie der Montage (Ski & Räder).

Welche Klimaschutzziele haben Sie für Ihr Unternehmen definiert?

SPORT CONRAD: Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 den geringstmöglichen CO₂-Fußabdruck im Vergleich zum Basisjahr 2019 zu erreichen: in Scope 1 und 2 um 70 Prozent, in Scope 3 um 50 Prozent.

Zudem hat sich Sport Conrad vorgenommen, das eigene Nachhaltigkeitsengagement zu verstärken – und insbesondere regionale Klimaschutzprojekte zu unterstützen. Jährlich engagiert sich Sport Conrad – vornehmlich in der Region der Standorte – mit einem eigenen Aktionstag für alle Mitarbeitenden, dem WDU Tag, beispielsweise konnte schon ein Moor gepflegt und renaturiert werden und ein durch Sturm geschädigter Wald wieder aufgeforstet werden.

“2022 haben wir uns das Ziel gesetzt: Sport Conrad ist der nachhaltigste Outdoor-Händler im alpinen Raum mit alpinen Produkten.”

Wichtig ist ebenso, alle Kund:innen zu sensibilisieren und zu motivieren, den eigenen Lebensstil nachhaltiger zu gestalten – ein Großteil der Emissionen stammt aus Produktion und Transport der verkauften Produkte, die Nutzungsphase ist jedoch nicht zu unterschätzen. Deswegen veranstaltet Sport Conrad regelmäßig Aktionen, beispielsweise auch die WIR DENKEN UM Woche. 1% des Nettoumsatzes dieser Woche wurde 2022 an zwei Klimaschutzorganisationen gespendet. Insgesamt kamen knapp 12.000 Euro an Spenden zusammen alleine durch die WIR DENKEN UM Woche. Genauso wichtig ist es, die Mitarbeitenden zu begeistern und einzubinden, was wir ebenfalls mit Aktionen oder unserem abteilungs- und filialübergreifenden WIR DENKEN UM Team umsetzen.

Sind Sie an diese Ziele durch Bottom-Up oder Top-Down Methoden gelangt?

SPORT CONRAD: Wir haben unsere Treibhausgasbilanz als Entscheidungsbasis für unsere Ziele genutzt, daher sind diese zum größten Teil Bottom-Up-Ziele. Wir haben uns im ersten Schritt absolute Reduktionsziele in den verschiedenen Scopes gesetzt: bis spätestens 2030 wollen wir Reduktionen von 70 Prozent in Scope 1 und 2, und von 50 Prozent in Scope 3 erzielen. Diese beziehen sich auf das Basisjahr 2019. Dennoch haben wir uns auch an Top-Down Zielen, mit Hilfe der Empfehlungen der Science-Based Targets Initiative (SBTi), orientiert. Das funktioniert auch ohne offiziell beizutreten und sich die eigenen Ziele verifizieren zu lassen, denn viele Informationen sind öffentlich zugänglich.

Zudem ist es uns wichtig, unsere Ziele intern laufend zu verifizieren. Wir haben nicht vor, bis 2030 abzuwarten und zu schauen, was wir als nächstes tun müssen, sondern wir evaluieren kontinuierlich, wie schnell oder langsam wir durch unsere Maßnahmen diese Ziele erreichen, sodass diese gegebenenfalls angepasst werden können. Außerdem können wir mehr in der gesamten Branche bewirken, wenn wir wissen, welche Maßnahmen gut funktionieren und praktisch dazu beitragen unsere Reduktionsziele zu erreichen.

Klimaziele sollten eine Kombination von Zielen auf Basis sogenannter ermittelten Minderungspotenzialen und auf Basis wissenschaftsbasierter Ziele sein.
Bei Zielen auf Basis ermittelter Minderungspotenziale haben Sie durch eine CO₂-Bilanz Emittenten mit hohen Emissionswerten ermittelt und können in Bezug auf diese, kurz- und mittelfristige Ziele festlegen. Bei Zielen auf Basis wissenschaftsbasierter Ziele können wissenschaftsbasierte Ansätze (z. B. SBTi) oder global/national/ kommunal vereinbarte Klimaschutzziele genutzt werden. Das sind mittel- bis langfristige Klimaziele.
Ziele

Haben Sie auf eine Kombination aus absoluten und relativen Reduktionszielen geachtet? 

SPORT CONRAD:

Unsere obengenannten langfristigen Ziele sind absolute Ziele. Selbstverständlich schauen wir dennoch genauer auf die einzelnen Emissionskategorien und evaluieren, ob absolute Ziele in diesen überhaupt möglich und realistisch sind. Ein Beispiel findet sich bei den Verpackungsmaterialien. Wenn unser Umsatz steigt, dann steigt auch das Volumen an benötigten Verpackungsmaterialien für die Bestellungen. Wir sind hier klar transparent und zeigen wie diese relativ zum Anstieg im Umsatz gestiegen sind. Auch wenn wir Verpackungsmaterialen absolut reduzieren müssen, stimmt das nicht mit unserem Wachstum überein. Wir konzentrieren uns dann hier auf das Umstellen auf nachhaltige – und wenn möglich wiederverwendbare – Verpackungsmaterialien.

Bei absoluten Reduktionszielen wird die zu reduzierende Menge als einfacher, quantitativer Wert in einem bestimmten Zeitraum oder bis zu einem Zeitpunkt definiert. Beispiel: Reduktion der Treibhausgasemissionen um X t CO₂(e) pro Jahr oder um X % im Vergleich zum Basisjahr bis 2030.
Relative Reduktionsziele stellen die Treibhausgasemissionen in Bezug zu einer anderen Unternehmenskennzahl. Hierdurch können zum einen wachstumsbedingte Verzerrungseffekte ausgeglichen und tatsächliche Prozess- oder Produktverbesserungen besser gesteuert werden. Beispiel: Reduktion der Treibhausgasemissionen pro Produkteinheit um X % bis 2030.

Hat sich Sport Conrad neben den allgemeinen langfristigen Zielen noch einzelne Ziele für verschiedene Bereiche gesetzt?

SPORT CONRAD: Wir haben zwar keine konkreten KPIs für bestimmte Kategorien festgelegt, aber wir haben dennoch Ziele für verschiedene Bereiche vor Augen. Zum Beispiel wollen wir unseren Fuhrpark sukzessive auf Elektromobilität umstellen und die Emissionen unserer stationären Anlagen durch Energieeffizienzmaßnahmen senken. Wir haben also Maßnahmen identifiziert und setzen diese nach und nach um.  

Die Definierung von Klimaschutzzielen stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Wie sind Sie vorgegangen?

SPORT CONRAD: Wir haben uns zuallererst externe Hilfe durch eine Beratungsfirma geholt, für die Erstellung unserer CO₂-Bilanz, beziehungsweise Treibhausgasbilanz. Das war noch bevor wir am Projekt KliMaWirtschaft teilgenommen haben. Bereits 2018 haben wir die Nachhaltigkeitsinitiative WIR DENKEN UM gestartet. „Umdenken“ bedeutet für Sport Conrad, konventionelle Wege zu verlassen und eine neue Route einzuschlagen. Ein wichtiger Bereich innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie ist, das Sortiment nachhaltiger aufzustellen und Konsument:innen für einen bewussten Konsum zu sensibilisieren. In diesem Zuge werden alle Hersteller und Marken regelmäßig hinsichtlich ihres Nachhaltigkeitsengagements abgefragt – und verantwortungsvolle Hersteller und Marken mit dem WIR DENKEN UM Label ausgezeichnet. Von über 350 Marken haben sich derzeit gut 100 qualifiziert.

2022 entwickelte Sport Conrad gemeinsam mit der Vaude Academy die Nachhaltigkeitsstrategie weiter: In drei Workshops, mit allen Bereichsleitern und Nachwuchskräften des Unternehmens, wurde eine langfristig angelegte Roadmap mit Zielen, Maßnahmen und Zeithorizonten aufgesetzt. Ein wichtiger Baustein und Entscheidungsgrundlage ist die Erfassung und Bilanzierung des Corporate Carbon Footprints.

Unsere Klimaziele konnten wir von der CO₂-Bilanz dann selbstständig ableiten. Wir hatten schon einige Maßnahmen identifiziert und umgesetzt, daher war es für uns wichtig, Ziele zu setzen, die mit diesen im Einklang waren. Wir haben also gesehen, dass wir in Scopes 1 und 2 viel mehr Spielraum für konkrete Reduktionsmaßnahmen haben als in Scope 3 und konnten somit unser Ziel für diese höher setzen.

Sind Sie auf Herausforderungen gestoßen? Wenn ja, wie konnten Sie diese überwinden?

SPORT CONRAD: Die größten Herausforderungen liegen vor allem in Scope 3 und Reduzierungen in diesen Kategorien. Aufgrund der gesetzten Systemgrenzen wurden bisher Emissionen, die durch eingekaufte Handelsware, sowie deren Transport (Eingangslogistik sowie Ausgangslogistik), nicht erfasst. Die Herausforderung liegt in der Erfassung des Sortiments. Deswegen hat sich Sport Conrad bestimmte Einkaufsziele gesetzt und arbeitet an einer Einkaufsrichtlinie, um das Sortiment Schritt für Schritt nachhaltiger zu gestalten.

Zudem ist die Formulierung von absoluten Reduktionszielen im Scope 3 schwierig, wenn man nicht einfach an alle Daten kommt. Trotzdem arbeiten wir kontinuierlich daran auch hier Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen.

Haben Sie einen Tipp für andere Unternehmen?

SPORT CONRAD: Uns hat vor allem der Austausch mit anderen Unternehmen sehr geholfen, sowohl durch das Projekt KliMaWirtschaft, als auch generell innerhalb unserer Branche. Es hilft sich Anregungen zu holen und zu hören was bei anderen gut klappt und was nicht. Außerdem ist wichtig, dass man von Anfang an ein Commitment der Geschäftsleitung hat, denn Klimaziele die nicht mit der Unternehmensstrategie einhergehen, werden nicht priorisiert. Zu guter Letzt ist es wichtig, dass man es nicht bei den Zielen belässt, sondern aktiv Maßnahmen identifiziert, um diese zu erreichen. Hier geht es dann natürlich auch darum, Zuständigkeiten festzulegen und zu kommunizieren.

Diverses Team

Was folgt nach der Zielsetzung?

Ganz gleich wie Sie dieses Thema angehen – ob Sie sich Top-Down Ziele setzen und danach Ihre CO₂-Emissionen bilanzieren oder ob Sie Bottom-Up Ziele von Ihrer CO₂-Bilanz ableiten: Es ist wichtig, die Zielsetzung nicht als alleinstehende Aufgabe abzuhaken. Um Erfolg zu erzielen, muss das Klimamanagement als ganzheitlicher Prozess angesehen werden. Sie müssen für das Unternehmen geeignete Maßnahmen identifizieren, um die langfristigen Ziele zu erreichen und sich gegebenenfalls kurzfristige Ziele für diese Maßnahmen setzen.

Stefanie Buchacher

Interviewpartnerin

Stefanie Buchacher ist Head of Corporate Sustainability bei dem mittelständischen Outdoor-Händler Sport Conrad. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung, der Bereichsleiter-Mannschaft und Nachwuchsführungskräften entwickelte sie eine ambitionierte Nachhaltigkeitsroadmap als Teil der unternehmenseigenen Initiative WIR DENKEN UM. Umdenken bedeutet für Sport Conrad, konventionelle Pfade zu verlassen – so wurde beispielsweise auch ein Second Hand Konzept mit gebrauchter Outdoor-Bekleidung lanciert.

Annika Schwochow

Autorin

Annika Schwochow

BVMW | Förderprojekte | Projektmanagerin KliMaWirtschaft